2. September 1863

(…) ich freue mich fast auf Herrn Hesse, ob er nicht etwas mit mir anzufangen weist. Jch möchte am liebsten, er könnte mich ganz mit sich fort nehmen. Ich sehne mich einmal aus allem Hinaus, müßte aber doch bei Jemand sein, vor dem ich Respekt haben kann. Ich freue, Nanny kam bei Zeiten, wir sassen auf der Zinne, dann Frau Cornatz, der ich den Thee machte. Eben war dann Alles im Freien, u. die Frauen kamen gerade ins Haus zurück, als Papa kam! Herr Professor Hesse sei da! daß mir diese Nachricht recht in d. Beine fuhr kann man sich denken. Mama nahm zwei Lichter, u. ging schnell zu ihm, bald rief sie dann auch mir! Er empfing mich sehr freundlich, u. ich dankte ihm vor Allem f. seine Güte noch einmal für mich hierher zu kommen, da seine Zeit sonst sehr zugemessen sei! Er sagte aber, es mache ihm Freude mit mir zu reden, und mir vielleicht doch einen guten Rath geben zu können. Mama fragte dann, ob sie mich allein mit ihm lassen solle, er stellte es ihr ganz frei, u. ich war natürlich froh, als sie dablieb. Jch mußte mich dann aufs Ruhebett setzen, und er zog seinen Sessel ganz nah u. fing mich über meine Krankheit zu befragen. Jch sei wohl bald nach seinem letzten Besuche bei uns, von dem er noch mit rechter Freude sprach, krank geworden, da ich ihm den Tag zu nennen wußte, verwunderte er sich, wie es noch so plötzlich angegriffen, u. Mama erzählte ihm dann ausführlich den Anfang der Krankheit. Wie ich acht Tage Fieber gehabt, dann aber wieder aufgestanden, aber gleich ganz den Appetit verloren habe. Da von da an, der Schmerz auf der Seite während einigen Wochen sich immer vermehrt habe, so habe Herr Professor da gegen einschreiten wollen, mich ins Bett zu legt, Blutigel, Überschlage, Einreibungen u. zuletzt Jod verordnet, aber Alles vergeblich. Herr Hesse wünschte nun zu wissen, wo dieser Schmerz sei, und ich mußte aufstehen, und er drückte recht tüchtig, und ich konnte ich ihm den Fleck gut zeigen, natürlich fand er ihn nicht so deutlich, wie wenn ich im Bett gewesen wäre. Er fragte dann nach der Art des Schmerzes, ob er immerwährend sei, aber mich im Liegen, Stehen u. Gehen verhindere, und ich erzählte ihm Alles so genau u. ruhig als möglich. Dann fragte er, mit was man mich später behandelt habe, was ich auch Alles genau sagen konnte u. er sagte nichts darüber, und fragte dann, wie es eigentlich in meinem Magen sei, ob ich Schmerzen und Erbrechen habe. Ich sagte ihm letzteres gar nie, Magenkrämpfe ziemlich oft. Er fragte wo es mir denn weh thun, u. ich zeigte ihm die Mitte der Herzgrube. Bei diesem Anlasse bemerkte Mama, Herr Locher sagte, mein Magen sei nicht eigentlich krank, sondern mehr durch die andern Streunzen in Mitleidenschaft gezogen und jetzt die Magenmorgen sehr angegriffen, was auch Herr Hesse nicht verneinte. Verwundert über das Verstopft sein, fragte er, was man mir für Klistiere gebe, kalte oder warme, und billigte ganz Mamas Verfahren darin! Sie sagte dann die Magenschwiegen und die Schmerzen auf der Seite seien immer in Verbindung mit der P. u. er erkundigte sich auch danach ganz genau, sowie auch als ich ihm sagte, die natürliche Öffnung mache mir immer wieder schlecht, u. wirken übel auf den Magen. Er fragte dann noch besonderens nach dem Magen, und ich erzählte ihm wie ich gar so argen Eckel gehabt im Anfang vor Allen Menschen, Schießen u. s. f. u. wie ich dann so häßlich geträumt habe. Er sagte dann lachend, um die Träume gebe er nichts, entschuldigte sich dann aber gleich, ich solle ihn doch ja nicht nicht (sic) verstehen. Er fragte mich dann, warum ich eigentlich nicht essen könne u. ich sagte, theils weil ich gar keinen Appetit habe, theils, weil mein Hals so trocken sei und mir Alles kleben bleibe. Ich habe von Zeit zu Zeit kleine lechen (unklar) erst letzthin einen tüchtigen Hast (unklar) gehabt, der aber keine weiter Folgen hinterlassen auch die Schmerzen in d. Seite nicht vermehrt habe. Vor zwei Jahren habe ich dann tüchtigen Skorbut u. Entzündung im Hals gehabt, seither beide früh Jahre sehr starke Drüsen. Er sagte das missfalle ihm jetzt am Meisten, befühlte so gleich meinen Hals u. sagte, sie seien auch jetzt noch ziemlich bedeutend, ob sie mir stark weh thäten. Als er hörte, daß ich Fischthran vertrage, sagte er, damit müße ich so bald als möglich wieder beginnen. Am besten aber mit Anfang November, u. den ganzen Winter damit fortfahren. Mama sagte ihm dann, daß ich einige Jahre früher Schleinfieber u. Unterleibsentzündung gehabt, eben auch in d. untern Theilen, ich sagte aber dann sei ich doch immer wieder gesund geworden, aber dieser Zustand sei mir doch gar zu zemmlich u. ich habe fast keinen Muth mehr. Er sagte dann aber, ich dürfe die Hoffnung nicht fallen lassen, auch er sei lange krank und sehr heruntergekommen gewesen, und da sei ihm Alles so schwer gewesen, sein Geschäfte überhaupt sein ganzes Leben, aber Gottlob sei es doch jetzt besser, u. er sage mir, ich dürfe mich mit seiner Erfahrung trösten! Hingegen müsse ich mich so viel als möglich zusammen nehmen und wenn ich auch gar nichts essen möchte, so solle ich es mir doch auferlegen. Daß nach so langem Kranksein u. ohne Nahrung um vieles nir vob (unklar) geworden sei, dürfe mich weder betrüben noch verwundern, er begreife es nur zu gut. Sbar haufagte (unklar, teilweise durchgestrichen) ihm Hr. Prof. Locher hatte uns schon gesagt, es seien viel alten Arten einzelne Krankheiten noch nie vorgekommen, u. können ihnen nie vor, so könne auch die Meinige sein. Herr Hesse sagte aber, er verstehe jetzt den Zusammenhang meiner Umstände ziemlich klar, es sei wahrscheinlich eine tief liegende Entzündung, die immer noch nicht geheilt, sei, einzig die völlige Appetitlosigkeit begreife er nicht. Wenn man jezt seinen Rath wissen wolle, so wäre seine Meinung, mich im Frühjahr so bald als möglich, schon Ende März nach Kissigen zu transferieren. Wenn ich das Fahren noch nicht gut vertrage; so solle man kleine Tagreisen mit mir machen; Dort müsse ich dann Rakozi (unklar) trinken u. fleißig Salzbäder nehmen, und er glaube gewiß, das werde mir gut thun. Mama dankte ihm sehr für diesen Rath u. auch ich war recht froh, einmal etwas bestimmtes zu wissen. Dann fragte er noch nach meinem Essen, ob ich nicht Eier oder Fleisch oder Trauben essen könnte Ich verneinte Alles dieses, und sagte immer lieber trinken als essen. Ich habe getreulich meine Arzneien genommen, das habe Hr. Professor mir selbst bezeugt, jetzt trinke ich Milch u. ein wenig Wein, aber essen würde ich gar nicht, wenn ich nicht müßte. Es empfahl dann aber Mama noch sehr mir täglich, da ich dieß am liebsten habe, einen guten Brei kochen zu lassen Mehlbrei u. s. f. oder dann anstatt Milch Fleischbrühe mit Sugo od. ähnlichem. Dann solle sie mir Milken Bohen (unklar), u. ganz weich verreiben, und wenn mir der Honig nicht zuwider sei, fleißig Honig zu essen geben. Sobald dann die Jahreszeit da sei, müsse ich Caviar essen, u. wo möglich auch Austern. Auf Sulz halte er nicht sehr viel. Die Milch müsse ich, wie den Fischthran, jedenfalls den ganzen Winter trinken sonst komme ich noch ganz elend, u. wenn es mir möglich wäre später im Morgen ein Täßchen Caffee. Mittags Brei u. Nachts noch einige Löffel davon. Mama u. ich dankten ihm sehr für diese Räthe, die wir gewissenhaft befolgen würden Schwe (unklar) , Milch, Caffee, BreMilken (unklar), Honig, Caviar, Austern u. Kissingen. Dann ermahnte er mich noch einmal so gut u. freundlich doch ja, Muth zu fassen und mich an seiner eignen Erfahrung aufrecht zu halten, das Leben scheine ... ich so heruntergekommnen (unklar), Zuständen gar trüb u. schwer, doch komme es dann mit Gottes Hülfe oft auch wieder besser, u. diese Hoffnung habe er auch bei mir. Da mich Mama schickte, um die Herren zu holen, so dankte ich ihm recht herzlich für seine grosse Güte, und er gab mir freundlich u. den Fischtran solle ich nicht vergessen Nachts zu nehmen, nur 1 Löffel, damit die Hand, und sagte, es würde ihn freuen, wenn sein Rath mir nützlich wäre; er hoffe ich werde ihn dann doch darüber berichten. Nur ungern ging ich dann ins Wohnzimmer zu Frau Corneh, während H. Stokar u. Papa noch zu ihm gingen. Als ich ihn aber dann bald darauf fortgehen, hörte, ging ich nochmals hinaus, dankte ihm, u. er gab mir wieder die Hand. Jch sagte ihm dann noch ich hätte v. seiner allerliebsten Tochter geträumt, u. er sagte was ich doch für Träume habe, es freue ihn nur wenn sie mir keinen Eckel verursacht habe. Nach der fich (unklar) nicht vergessen, daß er mich fragte, ob mir das Stehen Schmerzen verursache, es sei ihm schon gestern meine gebückte Haltung aufgefallen. Jch sagte aber, es sei eher eine üble Gewohnheit, weil ich oft so müde sei, ich wolle mich auch darin zusammennehmen. Jch ging dann als er fort war noch einen Augenblick zur Gesellschaft, aber bald fing mein Kopf an so trümmlig zu werden, daß ich hinauf ging u. auch dann nicht mehr zeigte. Jch hoffte Mama würde mich aufsuchen, und war fast ein wenig betrübt, als es nicht geschah. Wir konnten dann Nachts nicht mehr viel zusammen reden: ich hatte auch eine fahtschlafliche (unklar) Nacht, da mich das Erlebniß des Abends in Bette sehr umtrieb, was ich sehr bereute eins u. andres nicht gesagt zu haben. Überhaupt war dieser Besuch ein rechtes Ereigniß in meinem Leben und ich kann nur den lieben Gott bitten, daß Er ihn Früchte bringen lasse.

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31. August/1. September 1863

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