13. Mai 1861

(...) Jch arbeitete dann ein wenig im Salon u. H. Prof. kam gegen 1/2 10 Uhr. Er fragte mich wieder Alles und ich klagte ihm in über den gestrigen Tag; er war wieder ganz bestürzt, und Mama klagte ihm dann auch noch über die Leute, die ihr Allerlei anrathen, u. sie so ängstlich machen. Frau Schultheß wollte uns einen Homöpathen anrathen. (...) Noch nicht lange war ich dort, als H. Prof. kam, und gleich in mein Zimmer kam. Er war freundlich und gut u. fragte mich wieder Alles; dann fing er plözlich an, und sagte ehe wir aufs Land gingen müßte ich ihm noch einen Gefallen thun. Jch sagte: Gern. Alles was er wünsche, und er fing dann an, wie doch meine Krankheit, wenn es auch oft besser scheine, doch sich immer wieder verändere. Er möchte nur gern noch bestimmt wissen, welche Mittel auf d. Lande anzuwenden seien. (...) Und deßhalb wäre es ihm eine Gefälligkeit, wenn er uns heute noch Hr. Cloetta schicken dürfte, damit er mich einmal ganz unbefangen ansehe. Er möchte nicht zu viel auf sich selbst vertrauen, und sei bei dieser langen Krankheit zu sehr besorgt geworden. Mir wurde natürlich ganz heiß bei dieser Verhandlung, u. ich sagte nur, ich habe so unbedingtes zutrauen zu ihm, daß ich gewiß keinen andern Arzt bedürfe. Wenn er es aber wünsche, so wolle ich auch das thun. Jch bedaure nur ihm so viele Mühe zu machen, u. dazu noch so eine langweilige Patientin zu sein, während er bei Operationen viel mehr Freude u. Jntresse haben könne (...) Vor dem Essen kam noch F. Schultheß vom Rechberg, um Mama zu rathen, mich durch F. Trudel kurieren z. lassen. (...) Henriette hustet heute wieder immer Blut. Jch hatte wenig Appetit, ruhte nach d. Essen aus, u. schon um 3 Uhr kam Hr. Cloetta. Er sagte im Anfang ganz wenig, wurde aber nach u. nach lebhafter. Jch mußte dann aufsitzen, aber drückte u. klopfte überall so stark, daß mir besonders der gewisse Fleck hinten sehr wehthat. Nachher mußte ich liegen u. er drückte u. klopfte von oben bis unten. Er verwunderte sich sehr über meine Magerkeit, obschon er mich in meinem Normalzustand gar nicht kenne. Auch vorn an d. Leber that es mir weh, und es machte mir ganz eng, als er mir vorne auf die große Schlagader drückte, die er ganz fühlen konnte. Zuletzt kam er dann zum Beschluß jedenfalls sei die Leber, der Sitz des Übels, ihre Größe aber sei normal; sie sei nicht besonders groß, aber auch nicht zu klein, u. durchaus nicht in Zerstörung begriffen. Offenbar sei eine langwierige Entzündung vorhanden, die von einem kl. Punkt ausgehend die ganze Leber ergriffen habe, und so lange diese noch vorhanden sei, einen Herd für neue Störungen bleiben. Die gänzliche Unthätigkeit in d. Verdauungsorganen sei nur die Folge davon, auch das Nerven System sei angegriffen, er hoffe aber doch mit Zeit und Geduld auch dieses Leiden zu heben, aber Geduld brauche es jedenfalls noch, er könne nicht sagen wie lange. Nachher ließen wir Henriette kommen, mit der er artig war. Er glaube nicht, daß die Lunge angegriffen sei, sondern nur ein Gefäß gesprungen, das durch einige Ruhetage wieder geheilt werden könne. Auch Diät werde ihr gut thun, u. er wolle dafür besorgt sein, daß sie einige Tage ins Asyl komme. Nachdem er noch allerlei geredet, ging er gegen 4 Uhr fort, u. ließ uns ruhiger zurück. (…)

 (…) Abends war es mir noch recht traurig; ich mußte v. Henriette Abschied nehmen, die in einer Droschke ins Asyl fuhr, u. weiß auch nicht, wann ich sie wieder sehe. (…)

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11./12. Mai 1861

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14. Mai 1861