22. Mai 1863

(…) Oft will es mir vorkommen, als ob erst jetzt etwas ganz Neues aus mir werden sollte. Meine Sünden sind häßlicher als je, zum Kämpfen habe ich keinen Muth u. keine Kraft, und weiß oft nicht wie aus u. ein. Aber wie gerne u. willig wollte ich Alles leiden, wenn ich nur einmal den freudigen Glauben an das Verdienst meines Heilandes haben könnte, und die rechte Liebe zu Ihm, der so viel für mich gethan. Mit Ihm und durch Ihn könnte ich dann auch kämpfen und gewiß überwinden. Ach wenn Er mir ein neues Herz und einen neuen, gewissen Geist geben wollte, wie könnte ich Ihm genug danken für das Leiden die Bangigkeit die Er mir auferlegt. Soll ich, darf ich nicht verzagen! 

(Herr Professor) habe gestern mit Hrn. Cloetta geredet, u. sie beide hätten gefunden ich müsse wo immer möglich ein wenig fort, aber ehe ich mich ans Essen gewöhnt habe, wäre es nicht möglich; er habe sich deßhalb vorgenommen, mir das durchaus nicht nachzulassen, auch wenn es mir fast unmöglich scheine. Mama fragte dann wegen d. Esel, und er sagte, sie sei ihm zuvorgekommen. Er habe auch davon gehört, und sei dann selbst hin um ihn zu sehen, habe aber ein altes (einänziges-unleserlich) Thier gefunden, u. halte es darum für viel besser, wenn ich mit der gesunden Kuhmilch fortfahre, und nicht schon wieder ändere. Wenn ich sie ertragen könne, so sei sie nahrhafter als die anden, u. würde mich fester machen, aber die Andern verstünden des eben nicht so wie er es sich denke (…)


Jetzt kommt Herr Cloetta in’s Spiel, mit dem sich Herr Professor berät. Arnold Leonard Cloetta (1828-1890) war der Schwiegersohn von Professor Locher und selbst praktischer Arzt, Pathologe und Pharmakologe, der auch eine Professur inne hatte. Cloetta wird in der Folge immer wieder vorkommen in Deinen Tagebüchern.

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10./16. Mai 1863

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30. Mai-4. Juni 1863