31. Dezember 1861

(...) Gestern Abend ist der Nachtrock v. Hr. Professor gekommen, er ist gut ausgefallen, und ich werde ihm heute noch ein paar Worte schreiben. Nach 11 Uhr kam er selbst zu uns, er besah zuerst Maries Finger, den er für geheilt erklärte, u. fragte dann mich, wie es gegangen sei, Mama kam dazu, u. wir sassen zusammen in meiner Stube. Mama sagte ihm, ich habe mich gestern über Nanny geärgert; ich kam gleich in Thränen, er sagte aber, das komme nach v. meiner Schwäche her. Diesen Zustand könne gewiß Niemand so begreiffen. wie gerade die Personen, die bei mir seien; aber ich solle deßhalb den Muth nicht verlieren, und nicht mit Angst in die Zukunft sehen. Er habe mich nun das ganze Jahr beobachtet, selber gesehen daß ich mit Pünktlichkeit u. Vertrauen alle seine Räthe befolgt; aber er sei versichert das Schwerste liege jetzt hinter mir. Wohl sei noch eine große Schlaffheit in den Verdauugsorganen im Magen in d. Bauchspeicheldrüse e. t.c. aber vieles andre, was gänzlich ausgeblieben, sei nun doch wieder eingetreten, und für ihn ein Beweis, daß die Magen a.d. Leber nur noch Nachwirkungen eines Krankheitszustandes seien. Jch solle jetzt alles Alte u. Vergange als abgethan betrachten, und mit Muth u. Vertrauen in die Zukunft blicken. Er werde nächstens wieder kommen, hoffe aber doch im neuen Jahr mich nicht so oft sehen zu müssen wie im Verflossenen. Jch konnte ihm vor Thränen gar nicht antworten, als ich habe ihm nur zu danken, ich werde mein Möglichstes thun; er stand dann auf, gab mir die Hand, dankte für mein Vertrauen u. sagte, dieß sollten nun d. letzten Thränen im alten Jahre sein; ich solle nur Freude ins Neue hinüber nehmen, nach u. nach werde Alles noch gut werden. Dann gab er auch Mama die Hand dankte ihr für Alles Gute, u. verließ uns dann, kam aber nochmals zurück, um mir zu sagen, ich solle jetzt mit den Pillen warten, bis er wieder komme. O mein Gott wie danke ich Dir für diesen guten Arzt, für meine lieben guten Eltern. Papa hat ihm gestern 1500 Fr. geschickt. Beim Essen war es mir sehr traurig und bang. (...) Jch schrieb ein Billet an Amalie u. eins an Hr. Professor, das ich an d. Rock annähte, den ich Abends noch Amalia zuschickte. Jch hoffe sie gibt ihn Morgen früh. (...)  Jch schlief dann ziemlich bald ein, u. verschlief zum ersten Mahl seit langer Zeit den Wechsel des Jahres. Erst gegen 1 Uhr kam dann noch Mama in mein Zimmer, der ich noch von ganzem Herzen dankte, und sie bat auch ferner noch Geduld mit mir zu haben. O wie gut ist sie doch, belohne Du sie, o Heiland, mit Deinem Frieden und Segen.

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