21. August 1861

Nach einer guten Nacht stand ich am Morgen bei Zeiten auf, nachdem ich noch gelesen, u. den lieben Gott um Seinen Segen gebeten. O wie fühl ich es immer mehr, daß ich ohne Ihn nichts bin und nichts kann; ach wenn ich nur mit Jhm Alles könnte. Nachdem ich dann noch Allerlei geschrieben, ging ich hinunter u. wir arbeiteten Zusammen im Zimmer, da es daussen feucht ist. Jch blieb bis 11 Uhr, ging aber dann müde ins Bett u. war kaum fertig, als 20 Minuten nach 11 Uhr Hr. Professor kam, und dann bis gegen 12 Uhr da blieb. Zuerst redeten wir von Uhren u. er erzählte mir von den Seinigen u. rieth mir d. Uhrenmacher Li. Dann fragte er mich Alles, freute sich, daß es gut gegangen u. rieth mir wieder Bittersalz. Auch mit den Bädern soll ich fortfahren, und wenn H. Stokars fort sein werde, einmal probieren auf zu essen. doch solle ich es nicht zur Regel machen, schon wegen Papa, sondern und von Zeit zu Zeit, wann es mir besondern behaglich sei. Auch Abends soll ich es halten wie bisher, mich nicht anbinden, sondern sobald es mir zu viel werde still fortgehen. Unterdessen kam Mama u. H. Professor, der heute recht ernsthaft war, blieb noch da. Jch fragte ihn, ob ich doch wohl auch wieder recht frisch u. munter werde. Jch wisse wohl, dass könne mir kein Arzt geben, aber es wäre so traurig, eine solche beschwerte Person zu bleiben. Er glaubte in den Tag hineinzuleben brauche ich nicht, hingegen solle ich meine Pflicht thun, mich nicht wegen Kleinigkeiten kümmern, u. die Zukunft mit ihren Sorgen dem lieben Gott überlassen. Immer sei es am besten, wenn man sein Herz an Nichts hänge, auch was einem Freude mache, so man jeden Augenblick ruhig abgeben könne. Mama sagte dann, wenn man unverheirathet sei, müsse man doch Jenmand lieb haben, sonst wäre ja gar kein Lebensintresse und ich habe meinen freundinnen wegen schon manchen Kummer gehabt. Er hat gut sagen, das solle ich nicht, er thue es auch nicht, u. habe oft sehr bereut, daß er es in frühern Jahren gethan. Jch solle mich nur streben gegen jedermann freudlich zu sein, u. mich nicht ansehen lassen, wenn man es mir nicht stets erwiedre. Jch habe ganz recht, wenn ich sage, man müsse sich keine Götzen machen. Jch habe ja meine Eltern für d. ich lebe u. was die Streitigkeiten mit den Schwestern anbetreffe, so sei dieß überall und man habe sich doch lieb. Mama sagte dann noch einmal, in meiner Stellung müsse man ihn lieb haben; ich fürchtete aber, er könnte mich für verliebte Art halten, doch sagte er, was diesen Ausdruck anbetreffe, so sei keine Rede davon, das wisse er wohl. Die Erfahrung lehre eben wir und Mama habe eben die Schule des Lebens durch gemacht, und könne sich deßhalb ruhiger in Alles schicken, während ich noch nichts erfahren habe. Mama sagte ihm dann aber, ich habe auch unangenehme Jahre gehabt mit viel Kummer u. Verdruß, u. das muss er mir gelten lassen. Jch fragte dann, ob nicht mein Lebens leiden mich oft niederdrücken u. muthlos machen könne. Er nahm mir aber ganz diesen Trost, u. sagte mein so wirke doch nicht, darauf soll ich mich nicht stützen. Aber vielleicht sind doch Stokungen im Blut daran Schuld, ich will ihn noch einmal fragen. Zuletzt sagte er mir noch, ich solle nur über gewisse Sachen so wenig als möglich reden, auch er habe mehr Unangenehmes als Gutes, aber er suche es oft mit sich selbst zu verarbeiten, und dann sei manchmal die Sache weniger schlimm und oft auch keiner Worte werth. Jm Ganzen hat er nicht Unrecht mit seinem Zuspruch. Wenn ich dieß Alles von chrißtlichen Standpunkt betrachte, so muß ich mir selber sagen: Wenn ich den Herrn über Alles lieb hätte, so könnte ich auch die Nächsten mit der Liebe lieb haben, die Alles tragen kann. Dann würden mich auch irdische Sorgen nicht bemühen, sondern mich immer mehr zum Herrn hinziehen, ich könnte ruhig der Zukunft entgegen sehen, denn ich wüßte ja, daß mein treuer Gott für mich sorgt, und daß erst bei Jhm meine rechte Heimat ist. Mein Heiland, gib mir Muth u. Kraft, Dir nachzufolgen und Freudigkeit zum Leben und zum Sterben!

Zurück
Zurück

17. August 1861

Weiter
Weiter

5. September 1861