2. Januar 1862

(...) Gegen 11 Uhr läutete man stark, u. wer kam. Herr Professor. Jch nahm ihn in den Salon, u. sagte, er komme doch bald wieder im neuen Jahre; er antwortete, ich verstehe es eben, ihm keine zu machen. Dann dankte er mir recht herzlich für den Nachtrock, gab mir die Hand, und sagte er begreife nun, daß es mir oft Angst u. Bange geworden; die Arbeit sei so schön, daß er gar nicht geglaubt habe, es sei für ihn, sondern für seine Frau. Er habe ihn gestern Abend getragen, und er sei ihm ganz recht, die Ärmel gerade recht in der Länge, so daß er auch gut schreiben könne, überhaupt wie angegossen, u. d. Arbeit so schön u. fein, daß gewiß dieß der schönste Nachtrock der Stadt sei. Wenn seine Frau jalouse wäre, so wäre sie es jetzt geworden. Jch sagte, für mich sei es eine große Freude gewesen die Arbeit für ihn zu machen, er könnte schöner sein, aber er müsse den Willen für die That nehmen, er sagte dann, wenn auch die Arbeit nicht gewesen wäre, so habe ihm doch die in den Zeilen ausgedrückte Gesinnung große Freude gemacht, er danke mir recht sehr für Alles. Er wiederholte es dann auch noch Mama; wir wünschten ihm Glück zum neuen Jahre und dann kam er auf die Gesundheit zu reden. Mama sagte ihm Alles v. mir; er glaubt aber, die Ruhe werde mir jetzt wieder wohl thun; ich müsse meine Kräfte zusammen, halten für die Familie u. könne dann erst nach u. nach an andres denken. Sobald einmal die Körperkräfte wieder gehoben seien, werde es auch mit dem moralischen leichter gehen. Jch solle mich so oft als möglich zusammennehmen, u. Muth fassen, ich habe ja niemand zu scheuen, und es komme gewiß noch besser. Er habe mir ja die Gründe schon gesagt. Wenn ich nicht die Kräfte hätte, die ich habe, so könnte ich noch melancholisch werden, und den ganzen Tag da sitzen und mich mit Sachen quälen. Es sei aber eben gut, daß ich thätig sei, und mich mit meiner Thätigkeit zerstreuen könne. Mama habe nun ein böses Jahr mit mir gehabt, aber wenn v. aussen nichts an mich komme, sei ich gewiß auf besserm Wege. Jch sagte, wenn ich Mama u. ihn nicht gehabt hätte, so wäre mir jedenfalls das Jahr viel trauriger gewesen; er sprach mir dann ferner Muth zu, und ich bat ihn nur, meiner noch nicht müde zu werden, was er auch freundlich versprach. (...)

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1. Januar 1862

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3. Januar 1862