28. April 1863
(…) (Herr Professor) fragte mich dann Alles, bat mich, Abends auch noch ein wenig Wein zu trinken und ich klagte ihm wieder recht meine große Mündigkeit. Er verwundet sich daß ich im Morgen schlafen könne, sagte dann aber so freundlich und gut, er begreife vollkommen diesen Zustand. Theils habe er ihn an sich, selbst er fahren, theils auch schon viel solche Kranke behandelt. Wenn er mich aber gehen ließe, so würde ich am Ende gar nicht mehr hinaus kommen, und da mir jetzt Energie mangle müsse er eben sein Möglichstes thun. Wir sollen jetzt für einen Esel schreiben, mit Badenweiler hingegen v. dem ihm Mama sprach, wäre es für mich gar nichts. Man sei viel zu nahe beisammen, habe keine guten Bäder, und den ganzen Tag beständig Essesgerüche. Und viel zu viel Zürcher! Er hoffe immer noch einen Ort zu finden, wo es bessen wäre. Mama sprach v. Heinrichsbad, aber ich kam wieder tüchtig ins Weinen u. mußte dann nur nachher für meine Schwachheit abbitten! Herr Prof. war aber sehr gut, u. sagte nur ich solle soviel als möglich essen. (…)
Hier erfahren wir noch weiteres zu den Therapien, die Herr Professor Dir empfiehlt. Regelmässig schreibst Du ja, dass Du “Deine Milch” trinkst, und in einem früheren Eintrag war schon davon die Rede, dass Eselsmilch Dir vielleicht besser helfen würde als Kuhmilch. Eselsmilch wurde zum Aufbau von abgemagerten Organismen verwendet und für viele andere Krankheiten. Mein Eindruck ist, dass Herr Professor die ganze Palette von Behandlungsmöglichkeiten testet, die ihm für Deine Symptome zur Verfügung steht. Immer in der Hoffnung, einmal auf das Richtige zu treffen. Er versteht, dass Empathie und gutes Zureden für Dich sehr wichtig sind.
Ein Teil fast jeder Therapie scheint eine Badekur zu sein. Den zahllosen Bädern in der Schweiz und in Europa wurden unterschiedliche Wirkungen zugeschrieben, wobei bestimmt die Erholung jeweils ein wichtiger Heilungsfaktor war. Weshalb sich Badenweiler nicht eignete, protokollierst zu sehr genau. Offenbar wäre Dein Aufenthalt dort auch nicht sehr anonym, da dieser Ort bei den Zürcher*innen wohl beliebt war.