16./18. Juli 1863
16. Juli 1863. (…) (Herr Professor) erzählte dann noch viel v. Conrad Muralt, der jetzt nach Wyl abgereist sei, wie man ihn am Morgen 1/4 vor 4 Uhr schon in d. Wagen eingepakt habe, jemand hätte ihn abgenommen u. er sei ganz willig gewesen! Herr Cloetta sei mit ihm bis nach Winterthur in Herrn Professors Wagen dann in Herr Obersts. Anna habe auch mit ihn bei ihnen gewohnt, auf der andern Seite des Hauses, wo sie ihm nicht gehört habe, die letzte Nacht sei sie dann aber heimigegangen da man ihm keine Anfregung mehr habe machen wollen. Jetzt sei er gut versorgt, und er hoffe bald seiner Verantwortlichkeit los zu sein, wenn Herr Oberst da sei. (…)
18. Juli 1863. (…) dann fing (Herr Professor) plötzlich an: Nicht wahr, unser Verhängniß ist schon über uns hereingebrochen; Heute Morgen ist Conrad Muralt schon gestorben! Jch wußte im Anfang gar nicht wie mir geschah, so unerwartet u. schrecklich war mir dieser Bericht. Herr Professor ging dann hastig im Zimmer auf u. ab, und schluchzte laut, was mich sehr ergriff dann erzählte er uns noch, gestern schon seien 2. Depeschen gekommen, die eine plätzliche Kräfteabnahme anzeigten u. diesen Morgen früh die Todesnachricht. Anna sei nun aber nach Wyl hinauf gereist. Herr Obersts berichte man nach Augsburg, daß sie sich auf Alles gefaßt machen sollten. Es sei sehr sehr traurig, Anna sei in diesem Augenblick, wie eine andere Frau bei ähnlichem Anlaß auch wäre, hingegen habe sie ja doch ihren Verstand, und später werde sie selbst einsehen, daß ein Körper der schon beim erste Anfall zusammenbreche, nie mehr vollkommen gesund hätte werden können, u. kindlich zu werden, sei ja noch viel ärger, Ihm sei ja die Erlösung zu gönnen, u. die Hinterlassenen werden sich eben auch schicken müssen. Veränderungen werde es schon geben, schwere Veränderungen, aber das müsse man eben auch in Geduld und Ergebung zu tragen suchen, u. Trauriges gebe es ja überall nur zuviel in dieser Welt. Sie hätten sich nichts vorzuwerfen, sondern ihr Möglichstes gethan, aber länger hätten sie ihn nicht behalten können, dann wenn er einen Hund habe bellen hören, so habe er schon geschreien das seien seine Kinder, man solle sie ihn nicht hineinlassen, sonst fresse er sie. Und aus diesen Umgebungen habe er nothwendig entfernt werden müssen. Mama fragte da noch, ob dieß wohl eine Gehirnerweichung gewesen, Hr. Prof. glaube aber nein; sondern eher eine plötzliche Lähmung des Nervensystems und im Kopf und Hirn gehe das dann gar schnell, darum habe er auch so plötzlich seine Kräfte verloren. Die armen, armen Kinder, u. der arme Herr Professor! und doch wie gut v. ihm, daß er es uns selbst sagte, denn es hat ihm gewiß sehr Mühe gemacht. So schluchzen habe ich ihn noch nie gesehen. (…)
Deine Beschreibung des schluchzenden Professors und seines Berichtes sind berührend und auch recht anschaulich. Den Schock dieses unerwarteten und schnellen Todes spürt man aus diesen Zeilen auch heute noch.
Anna von Muralt-Locher, die Tochter von Professor Locher, ist an diesem Tag Witwe geworden und muss sich nun auf ein anderes Leben einstellen.